Pilotstudie zur Rolle der Rauchentwöhnung in der Suchttherapie in BMC Medicine (IF=9.3) publiziert

Die Gateway-Hypothese (auf Deutsch oft „Einstiegsdrogen-Hypothese“ genannt) ist eine Theorie, die besagt, dass der Konsum von weniger schädlichen oder legalen Drogen, wie beispielsweise Tabak oder Alkohol, den Weg zum Konsum von härteren und illegalen Drogen ebnen kann. Die Hypothese basiert auf der Beobachtung, dass viele Personen, die illegale Drogen nehmen, vorher legale oder weniger gefährliche Substanzen konsumiert haben. Obwohl die Komorbidität zwischen Tabakabhängigkeit und anderen Suchterkrankungen im Allgemeinen sehr hoch ist, gibt es nur wenige Studien, die die Durchführung und die Ergebnisse von Tabakentwöhnungsprogrammen bei Patienten mit Suchterkrankungen untersuchen. Ziel dieser Studie war es, heraus zu finden, inwieweit ein standardisiertes Tabakentwöhnungsprogramm zur Verbesserung psychischer und physischer Parameter bei stationär untergebrachten Suchtpatientinnen führt und ob es so zu einer Reduktion des Tabakkonsums kommt.

Die Pilot-Studie wurde im Verein Grüner Kreis, Österreichs größter Vereinigung für Drogenlangzeittherapie auf Basis der Konzepte der Therapeutischen Gemeinschaft, unter der Projektleitung von Univ.Prof. Dr.Dr. Human-Friedrich Unterrainer, Professor an der Fakultät für Psychotherapiewissenschaft, SFU Wien und Leiter des Zentrums für Integrative Suchtforschung (CIAR) im Verein Grüner Kreis durchgeführt.  Eine nicht-randomisierte Gesamtstichprobe von 56 TeilnehmerInnen wurde dabei einer Interventionsgruppe (n = 31) und einer Vergleichs-Gruppe (n = 25) zugeteilt. Die Interventionsgruppe nahm freiwillig an einem 6-wöchigen Programm zur Tabakentwöhnung teil, während die Vergleichsgruppe keine zusätzliche Behandlung erhielt. Beide Gruppen wurden zu zwei Messzeitpunkten (vor und nach der Behandlung) primär auf Veränderungen in der Stärke der Tabakabhängigkeit: Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag und allgemeines Rauchverlangen untersucht. Als weitere Parameter wurden auf physiologischer Ebene die Veränderung der Herzratenvariabilität und auf psychologischer Ebene Veränderungen in der Selbstwirksamkeit und auch mögliche komorbide psychiatrische Symptome gemessen.

Als Ergebnisse können signifikante Verbesserungen der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit und eine verringerte Anzahl an gerauchten Zigaretten in der Interventionsgruppe berichtet werden, während in der Vergleichsgruppe keine signifikanten Veränderungen festgestellt wurden. Keine Unterschiede wurden hinsichtlich der komorbid auftretenden psychiatrischen Symptomatik, dem allgemeinen substanzbezogenen Verlangen und der Herzratenvariabilität beobachtet. Die Ergebnisse unterstreichen den potenziellen Nutzen eines zusätzlichen Tabakentwöhnungsprogramms als Teil einer allgemeinen Suchtbehandlung.

Obwohl keine Verbesserungen im physiologischen Bereich beobachtet wurden, gab es signifikante Verbesserungen in Bezug auf Selbstwirksamkeit und Anzahl der gerauchten Zigaretten in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein nächster wichtiger Schritt ist jetzt unsere ersten Ergebnisse mit Hilfe von randomisiert-kontrollierten Studien an größeren Stichproben von Suchtkranken weiter abzusichern bzw. durch die zusätzliche Berücksichtigung von weiteren Bio-Markern zu unterfüttern. Aufgrund unserer zugegebener Maßen sehr limitierten Ergebnisse scheint die Gateway-Hypothese einmal grundsätzlich zuzutreffen. Dem entsprechend könnte eine zusätzliche Nikotinentwöhnung in der Drogentherapie die Rückfalls-Quote von suchtkranken PatientInnen, die traditioneller Weise sehr hoch ist, positiv beeinflussen.

Rückfragen unter:
Univ.-Prof. PD mult. Dr.Dr. Human-Friedrich Unterrainer
Professor (full) of Process- and Outcome Research
Head of the English Doctoral Programme
E-Mail: human.unterrainer@sfu.ac.at

Sigmund Freud University
Faculty of Psychotherapy Science
Freudplatz 1
1020 Vienna